Dienstag, 14. September 2010

Wieder in Deutschland + Update der Karte

Eva und ich am Gepäckband
Hi,

es ist soweit. Sechs Wochen Abenteuer in Kamerun sind vorbei. Am Sonntag Abend sind wir wieder in Frankfurt angekommen. Man hat uns zwar immer und überall vor Royal Air Maroc gewarnt, aber wir können nichts Negatives über unsere Flüge sagen. Pünktlich und sogar jedes Mal mit Gepäck ;)
Nachdem wir letzteres eingesammelt hatten, ließen wir uns von von Evas und meiner Familie begrüßen.
Obwohl die Mädchen sich mit einer Frisur aus eingeflochtenem Kunsthaar tarnten und ich mich in meinen Geburtstagsgeschenken aus Maroua (traditionell nordkamerunische Kleidung von Said und eine Perücke mit schwarzen Rastas von den Mädels) versteckte, wurden wir sofort erkannt und freudig begrüßt.
Am Abend wurde ich daheim mit Schnitzel, richtigen Pommes und einem Salat verwöhnt. Deutsches Essen hat uns allen ziemlich gefehlt, weshalb wir die ersten Mahlzeiten hier besonders genießen werden. Gestern war dann auspacken und ein wenig entspannen angesagt.

Um nachzuvollziehen wie weit wir in Kamerun herum gekommen sind, habe ich die Karte am rechten Rand überarbeitet und die wichtigsten Punkte nachgetragen.

Points of Interest:
- unser Haus, Georges Haus und der Rond Point in Damas (besonders als Satellitenbild)
- unsere Reisen nach Kribi, in den Westen, den Norden
- die erste Kampagne in den Süden (die anderen beiden medizinischen Kampagnen waren auch in der Gegend)
- die Schulkampagne in den Osten

Somit haben wir in den sechs Wochen ohne Flüge und Kurzstreckenfahrten, mit in der Regel total überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln über 4700km zurück gelegt.

Da wir nicht ständig aus Kamerun berichten konnten, gibt es natürlich viel aufzuarbeiten. Weil es immernoch aktuell ist und mir nach wie vor auf der Seele brennt, möchte ich eine Geschichte aus unseren zwei Tagen im Krankenhaus nachreichen. Obwohl es noch immer nicht ganz leicht ist die passenden Worte zu finden, hatte ich jetzt wenigstens etwas Zeit darüber nachzudenken und daher ist es leichter euch davon zu erzählen.

Das besagte Baby 20 Minuten vor seinem Tod
Wie ich bereits geschrieben hatte verbrachten wir den ersten Tag in der Fondation Chantal Biya in der Notaufnahme. Natürlich gibt es auch etwas von unserer Arbeit dort zu berichten, was ich aber bisher nicht getan habe.
Nach einer kurzen Einweisung kam sogar schon die erste kleine Patientin herein. Es war nicht leicht die Mutter des drei Monate alten Mädchens zu verstehen, weshalb eine kamerunische Medizinstudentin den Fall übernommen hat. Laut der Mutter aß ihr Kind seit einer Woche nichts mehr und hatte Durchfall. Leider rückte sie mit der Sprache nur sehr langsam raus und man musste bei jeder Frage mehrfach nachbohren. Das Kind hatte zudem auch Fieber und je länger man das Baby ansah, desto eher beschlich einen das Gefühl, dass es sehr schlecht um die Kleine stand. Zur körperlichen Untersuchung kam allerdings ab und zu ein Arzt dazu, weshalb das Kind nicht mehr allein von Studenten betreut wurde. 30 Minuten später war sie tot.
Sie starb auf der Liege, ohne dass wir etwas tun konnten. Es ist kaum möglich alle Eindruecke und Gefühle aus diesen Minuten jetzt in Worte zu fassen. Im ganzen Untersuchungsprozess ist extrem viel falsch gelaufen und es war eigentlich ein Vorzeigebeispiel wie es nicht laufen sollte. Niemandem dort ist der Unterschied zwischen dem Wiederbeleben von Kindern und Erwachsenen bewusst, kein Mensch macht sich Stress oder bewegt sich auch nur einen Schritt schneller, obwohl das Kind einen Atemstillstand hat. Ganz zu schweigen vom nicht vorhandenem Material. Kein Adrenalin, keine Beatmungsmaske für Kinder, kein richtig funktionierendes Sauerstoffgerät, keine Alternative zur Venenkanüle, kein Bronchialtubus für Kinder. Kurz: nichts.
Genau hier ist der springende Punkt, wieso ich fast schon verstehen kann, dass alles so halbherzig gemacht wurde und ich nicht behaupte, dass ich, obwohl ich sicher etwas schneller gehandelt hätte, das Mädchen hätten retten können. Nach dem Atemstillstand gab es für das Kind einfach keine Chance mehr. Selbst bei fachlich perfekter Ausbildung und vorbildlichem Einsatz sind die ganzen Wiederbelebungsmaßnahmen durch die fehlenden Materialien zum Scheitern verurteilt. Einem drei Monate alter Säugling, der nur noch 3kg wiegt und durch eine Woche Durchfall, Fieber und Nahrungsverweigerung vollkommen ausgetrocknet ist, kann man einfach keine simple Venenkanüle mehr legen. Selbst wenn das geklappt hätte, wären keine bzw. erst nach zu zu langer Zeit Notfallmedikamente vorhanden gewesen. Wasser und Antibiose wirken nicht schnell genug, um in dieser kritischen Situation noch etwas zu retten. So können die Ärzte immerhin sagen: "Wir haben es probiert." und vermeiden gleichzeitig den sinnlosen Stress, den eine solche Situation eigentlich hervorrufen sollte.
Hier zeigt sich besonders eindrucksvoll der Unterschied zu einem Land wie Deutschland. Das Baby ist an einer einfach Infektion gestorben. Ihre Chance zu überleben wäre bei uns 99% gewesen. Obwohl es selbst in Deutschland so ist, dass gerade die Besonderheiten des Wiederbelebens von Neugeborenen nicht perfekt bekannt sind. Wahrscheinlich wäre es hier nichtmal zu dieser kritischen Situation gekommen, da die Mutter früher zu Arzt gegangen wäre. Gerade im letzten Semester hatte Dr. Huth, Leiter der Kinderintensivstation der Mainzer Uniklinik, bei dem ein Kurs des Wahlpflicht Faches Neonatologie (Neugeborenenkunde) statt fand viel über dieses Thema und die damit verbundenen Probleme, die auch in Deutschland aktuell sind, erklärt.


Morgen werde ich mit einer Zusammenfassung der Schulkampagne, die wir am Freitag noch mitgemacht haben, wieder etwas Schöneres posten.

Bis dahin, liebe Grüße

Julian

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